Es war ein langer, harter Winter mit Temperaturen bis nahe an -20° und fast zehn Wochen Dauerfrost. Die Seen, Weiher und Tümpel waren schon seit Weihnachten gefroren – viele davon bis auf den Grund. Viele Familien saßen im Kalten, denn für manche Heizung, manchen Ofen gab es nicht mehr genug Brennstoff. Schon im Januar waren Eisschollen auf dem Rhein zu sehen. Erst viele kleine, aber dann bildete sich bei Bingen und Kaub unterhalb der Lorelei schwerer Eisgang, der immer mehr größere Brocken vor sich herschob. Bald behinderte das Eis den Fluss des Wassers, und je langsamer der Strom floss, desto mehr Eis bildete sich auch oberhalb der Engstelle. Schiffbar war der Fluss schon seit drei Wochen nicht mehr. Aber ab der Nacht vom 6. auf den 7. Februar war es dann so weit: Die Schollen zwischen Porz und Ruhrort kamen zum Stillstand und froren hier und da zusammen. Der Rhein war ganz und gar zugefroren.

Und er blieb es insgesamt fünf Tage lang. Völlig unbewegt war die Eisschicht bei Köln und auch bei Düsseldorf ab dem 7. Februar 1942. Es war dies der erste harte Kriegswinter. Seit Ostern 1940 waren die Bomberflotten über die großen Städte am Rhein und im Ruhrgebiet gekommen. Über das Jahr 1941 hatten sich die Angriffe verstärkt, aber noch waren die Innenstädte nicht völlig zerstört. Alle Brücken über den Rhein waren noch intakt, und die Binnenschifffahrt spielte bei der zivilen Logistik eine entscheidende Rolle – die Steinkohle aus dem Ruhrgebiet wurde vorwiegend auf Rheinschiffen in den Süden bis nach Bayern und in den Norden bis nach Hamburg transportiert. Als der Verkehr auf dem Strom durch den Eisgang zum Erliegen kam, brach die Versorgung mit Brennstoff in weiten Teilen Westdeutschlands zusammen.

Geschlossene Eisdecke im Winter 1914

Der zugefrorene Rhein im Winter 1913/14 - hier an der Oberkasseler Brücke in Düsseldorf

Der zugefrorene Rhein im Winter 1913/14 – hier an der Oberkasseler Brücke in Düsseldorf

Natürlich strömten die Menschen an diesen denkwürdigen Tagen vor ziemlich genau 75 Jahren an die Ufer und setzen ihre Füße vorsichtig aufs Eis. Das bildete keine gleichmäßige und glatte Fläche, denn die Schollen verschiedener Größe hatten sich über- und untereinander geschoben; der Fluss sah aus wie ein tiefgepflügter Acker. Aber rasch bildeten sich an den Stellen, an denen viele Schaulustige erschienen, Pfade und Gassen übers Eis. Das war 48 Jahre zuvor anders. Auch im Winter 1913/14 war der Rhein zugefroren. Damals aber nicht als Endpunkt von Eisgang, sondern innerhalb weniger Tage bei extremen Temperaturen, sodass sich an vielen Stellen eine relativ glatte Eisfläche bildete.

Auch im Februar 1929 war der Rhein kurz davor, zuzufrieren. Auch damals hatten sich am Mittelrhein viel Eis gebildet. Schon Wochen vorher waren immer wieder große Schollen zu Tal getrieben und hatten die Schifffahrt gefährdet. Und weil auch die Uferbefestigungen durch derart große Brocken beschädigt werden konnte, wurde das Eis an mehreren Stellen zwischen Bingen und Leverkusen gesprengt. Natürlich war der Verkehr lahmgelegt. Aber bei Düsseldorf und von dort aus stromabwärts war die ganze Zeit über Fließwasser zu sehen.

Während der Rhein in seinem Unterlauf vor der Regulierung und Umgestaltung zur Schifffahrtsstraße ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts vermutlich nur sehr selten komplett zufror – durch die vielen Nebenarme war die Wasseroberfläche insgesamt viel größer – kam es beispielsweise 1848 zu monatelangem Stillstand des Verkehrs. Die Kähne froren in den Häfen ein, und Hunderte wurden durch die Eismassen zerquetscht. Ähnlich sah es auch 1894 aus.

Letzter Eisgang auf dem Rhein

Aber man muss gar nicht 75 Jahre in der Zeit zurückgehen, um auf ähnliche Zustände zu stoßen. Auch nach dem zweiten Weltkrieg kam es noch einige Male zu starkem Eisgang auf dem Rhein. Der Winter 1954 war wieder sehr lang und sehr kalt, gerade im Südwesten des Landes. Und so hatte sich ab Rüdesheim, wo das Rheintal eng wird, viel Eis gebildet, dass sich weiter nördlich dann nach und nach zusammenschob. So kam es an verschiedenen Stellen erneut zu einem Rhein, dem man zu Fuß überqueren konnte – das folgende Video zeigt Aufnahmen aus jener Zeit:

Der Rhein zugefroren 1954

Winter 1963 - zu Fuß auf dem Rhein bei Köln (Foto: dpa)

Winter 1963 – zu Fuß auf dem Rhein bei Köln (Foto: dpa)

Zum letzten Mal war das Eis auf dem Rhein zwischen Köln und Duisburg im Winter 1963 zu einer fast ganz geschlossenen Fläche gefroren. Allerdings hatte man vom Auftreten der ersten Schollen an auf Eisbrecher gesetzt, die beinahe die ganze Kälteperiode hindurch für eine mehr oder weniger schmale Fahrrinne sorgten. Seitdem hat es weder eine geschlossene Eisdecke, noch nennenswerten Eisgang am Niederrhein gegeben. Experten erklären das vor allem mit den warmen Abwässern der diversen Fabriken und Kraftwerke an den Ufern des Oberrheins (also südlich von Mainz) und den stark gestiegenen Salzgehalt, der durch das Abwasser aus dem Kalibergbau in Lothringen über die Saar und die Mosel verursacht wird.

Spektakulär wird es am Rhein in langen, kalten Winter also nur noch, wenn der Strom erst über die Ufer getreten ist und das Wasser auf den Wiesen und Senken unterhalb der Deiche gefriert. So konnte man im Januar 1986 auf Schlittschuhe über die Äcker bei Düsseldorf-Lörick sausen, und auch auf den vereisten Rheinauen bei Uerdingen und im Orsoyer Rheinbogen glänzten riesige Eisflächen in der Wintersonne.

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