Bitte nicht wundern: Der Baldeneysee in Essen hängt immer noch nicht mit Rhein zusammen, sondern ist ein Stück der Ruhr. Trotzdem wollen wir uns heute mit einem Schiff befassen, das seit wenigen Tagen Teil der Weißen Flotte Baldeneysee ist: die MS Innogy. Schließlich ist ja die Personenschifffahrt dank der Kreuzfahrtriesen auf den Weltmeeren kürzlich ein wegen deren Emissionen heftig in die Schlagzeilen geraten. Und schon während der Fahrt der MS Jan Wellem mit SPD-Verkehrsexperten und interessierten Düsseldorfern an Bord im März des Jahres wurde auch über das „Elektroschiff“ gesprochen. Das Problembewusstsein bei den Profis ist also da, und an möglichen Alternativen zum Dieselmotor wird gearbeitet. Ganz vorn dran ist das Essener Unternehmen Innogy, das maßgeblich an der Realisierung der MS Innogy beteiligt war.

Paula tauft die MS Innogy (Foto: innogy)

Paula tauft die MS Innogy (Foto: innogy)

Schon seit Mitte August fährt die MS Innogy schon auf dem Baldeneysee, die offizielle Taufe fand am 25. August statt. Partner im Projekt ist die Stadt Essen, die das Schiff als Teil der Aktivitäten zum Thema „Grüne Hauptstadt“ sieht. Basis war die ehemalige „Ratzeburg„, die 2006 in der dortigen Lux-Werft gebaut wurde und elf Jahre lang mit konventionellem Antrieb auf den Ratzeburger Seen im Einsatz war. Rund zwei Millionen hat der Umbau des Schiffes gekostet, ca. 1,3 Millionen trug die Innogy als Hauptsponsor, der Rest stammt aus dem städtischen Haushalt. Anfang März kam die zukünftige MS Innogy in die Werft des Herstellers in Mondorf am Rhein, wo es mit einem Elektromotor und einer Brennstoffzelle ausgerüstet wurde, die Strom aus Methanol erzeugt. Dieses Methanol wird wiederum aus dem CO2 der Luft mit Hilfe von Wasser und Strom hergestellt; und zwar in einem winzigen „Kraftwerk“ am Wehr des Baldeneysees, das gerade einmal eine Grundfläche von zwei mal zwei Metern einnimmt. Hier wird die MS Innogy also betankt. An Bord speist das getankte Methanol die Brennstoffzelle, die dabei exakt so viel CO2 abgibt, wie zuvor der Umgebungsluft entzogen wurde. Der Antrieb ist also vollkommen CO2-neutral.

Brennstoffzellen besser als Batterien

DMFC-Brennstoffzelle (Foto: Forschungszentrum Jülich)

DMFC-Brennstoffzelle (Foto: Forschungszentrum Jülich)

Warum aber der ganze Aufwand? Wäre es nicht einfacher, das Boot mit einem Paket Batterien vollzupacken, die ganz normal an der Steckdose aufgeladen werden? Genau diese Frage war Teil der Debatte unter den erwähnten Verkehrsexperten. Das wichtigste Argument hatte dabei nichts mit dem Umweltschutz zu tun, sondern betraf die Sicherheit. Auf Wasserstraßen muss die Manövrierfähigkeit der verschiedenen Fahrzeuge jederzeit garantiert sein, denn jedes Schiff oder Boot, das nicht mehr gesteuert werden kann, wird zum Risiko für den gesamten Verkehr. Denn im Gegensatz zum Auto, dass beim Ausfall des Antriebs einfach stehenbleibt, wird ein Wasserfahrzeug durch die Strömung unkontrolliert weiterbewegt. Die Gefahr, dass bei einem E-Schiff, das seinen Strom aus Batterien bezieht, wird als deutlich größer eingeschätzt als bei einem Fahrzeug mit konventionellem Antrieb. Zweitens spricht das enorme Gewicht der Stromspeicher gegen dieses Konzept, denn um eine halbwegs sinnvolle Reichweite zu erzielen, müssten etliche hundert Kilo Batterien an Bord sein. Und drittens spricht die Umweltbelastung bei der Herstellung der Speicherbatterien dagegen.

Tatsächlich sehen Experten weltweit die Brennstoffzelle als den Königsweg zum elektrisch betriebenen Binnenschiff. Auch bei diesem Konzept treiben ein oder mehrere Elektromotoren das Schiff an, aber den Strom beziehen sie eben aus einer Brennstoffzelle. Dabei ist diese technisch gesehen kein Stromspeicher, sondern ein Wandler, der die in einem Brennstoff chemisch gebundene Energie in elektrischen Strom umwandelt. Knackpunkt bei dieser Technologie ist aber die Herkunft des Methanols – und hier haben die Ingenieure von Innogy einen interessanten Ansatz realisiert; quasi ein Minikraftwerk, in dem das Methanol aus dem CO2 der Luft synthetisiert wird.

Modellfall und Technologieträger

Die MS Innogy, die ja eigentlich auch als „ES“ etikettiert werden könnte, ist Modellfall und Technologieträger in einem. Die enorm hohen Umrüstungskosten zeigen, dass das Konzept noch lange nicht flächendeckend umgesetzt werden könnte. Aber das Schiff, das auf dem Baldeneysee nun im ganz normalen Ausflugsverkehr eingesetzt wird, kann wertvolle Erkenntnisse über die Alltagstauglichkeit der Brennstoffzellen-Technologie für Elektroschiffe liefern. Und vielleicht fährt in ein paar Jahren die Mehrheit der Binnenschiffe mit diesem cleveren, umweltfreundlichen Antrieb.

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