Das hat Köln lange gefehlt: Ein Platz am Rhein, an dem man sitzen und entspannen kann und einen schönen Blick aufs andere Ufer hat. Seit Juli 2015 gibt es ihn nun, den Rheinboulevard in Deutz – eine gut 500 Meter lange Treppenanlage zwischen der Hohenzollern- und der Deutzer Brücke. Von hier aus sieht man den Kölner Dom und kann manchmal die Sonne über der Altstadt untergehen sehen. Die Freitreppe erstreckt sich durchgehend auf bis zu sechs Metern Höhe. Oberhalb gibt es Promenade, auf der man im Schatten der Bäume flanieren kann. Schon im zweiten Sommer hat sich der Rheinboulevard Köln so zum beliebten Treffpunkt für junge Leute aus der ganzen Stadt und von außerhalb entwickelt.

Google_Map: Rheinboulevard Köln-Deutz

Böse Zungen behaupten, den Rheinboulevard gäbe es nur, weil die Kölner Stadtmütter und -väter schon seit 1995 neidisch rheinabwärts nach Düsseldorf geschielt hätten, wo nach der Eröffnung des Rheinufertunnels eine wunderschöne Promenade entstanden sei. Außerdem habe man sich die Treppe am dortigen Burgplatz genau angeschaut und sich gedacht: Das können wir auch – und zwar größer. Tatsächlich aber existierte der Plan schon seit der Zeit, in der die Industriebetriebe in Deutz nach und nach schlossen. Denn ein Manko der Domstadt war es schon seit langer Zeit, dass es außer der Rheinpromenade am Rheinpark nördlich vom Tanzbrunnen und den Poller Wiesen viel weiter im Süden kaum Uferflächen für Spaziergänger gab. Auch hier richtete sich der Blick auf die Landeshauptstadt mit ihren fast sechs Kilometern Rheinwiesen am linken Ufer.
Rheinboulevard: Nordwestturm des Kastells

Rheinboulevard: Nordwestturm des Kastells

Übrigens schließt der Rheinboulevard einen historischen Ort ein, denn er liegt teilweise auf dem Gebiet einer der wenigen römischen Siedlungen „op dä schäl Sick“, dem Castrum Divitia. Diese Befestigung wurde 310 begründet, um den Kopf einer Rheinbrücke zu sichern, die den raschen Truppentransport aus Colonia Aggripina ins feindliche Germanien ermöglichen sollte. Aus diesem Kastell entwickelt sich die Stadt Deutz (kölsch: Düx), die 1888 nach Köln eingemeindet wurde und sich zu einem der wichtigsten Industriegebiete der Metropole entwickelte.

Wie so oft in Köln stand die große Vergangenheit städteplanerischem Wollen im Weg. Denn bei den Vorarbeiten zum Bau des Rheinboulevards wurden – man möchte sagen: selbstverständlich – Überreste aus verschiedenen geschichtlichen Epochen gefunden. Eine Bürgerinitiative forderte daraufhin, es solle einen Historischen Park Deutz geben, der in den Gesamtplan zu integrieren sei. Sowohl die Planung, als auch die Eröffnung der Treppen verzögerte sich dadurch. Zum großen Feuerwerk „Kölner Lichter“ am 11. Juli 2015 war die Anlage noch nicht freigegeben, wurde aber in die Illumination integriert. So konnten die Kölner ihr geliebtes Feuerspektakel erst im Juli 2016 von den Treppen aus beobachten.

Leider hat sich die Freitreppe seit der Eröffnung auch ein bisschen zum Sorgenkind entwickelt. So musste gegen die ständige Verschmutzung ein Shisha-Verbot erlassen werden. Im April 2017 wurde die Polizeipräsenz vor Ort verstärkt, weil es zu Schlägereien gekommen war; auch Streetworker sind dort inzwischen im Einsatz. Das sollte aber niemanden abschrecken, einmal nach Köln-Deutz zu fahren, um es sich auf den Treppen am Rheinboulevard gemütlich zu machen und hinüber aufs andere Ufer zu schauen.

[Titelbild: Raimond Spekking via Baukunst NRW]

Download PDF
Teilen.

Antworten